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Samstag, 7. Juni 2025
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Durchbruch für Prinzhorn
Uniklinik-Chef Jürgen Debus: „Haben riesiges Hindernis übersprungen“ – Neues Depot und Werkstätten für weltweit einzigartiges Museum
Von Klaus Welzel
Heidelberg. Es ist zwar noch kein Pfingstwunder. Aber schon eine überraschend gute Nachricht: Die Sammlung Prinzhorn ist nicht nur auf Dauer gerettet, sondern sie soll auch erweitert werden – unter Verwendung der vom Bund zugesagten fünf Millionen Euro an Fördermitteln. So bestätigte es der Vorstandsvorsitzende des Universitätsklinikums Heidelberg, Prof. Jürgen Debus, auf RNZ-Anfrage am Freitag.
> Bauantrag bis Ende des Jahres: „Wir haben ein riesiges Hindernis übersprungen“, freut sich Debus. So habe das Land Baden-Württemberg am Freitag grünes Licht für die Erweiterung der Sammlung Prinzhorn erteilt. Das Klinikum starte nun die „Leistungsphase 3“. Sobald diese abgeschlossen sei, könne der Bauantrag gestellt werden – das Klinikum übernehme dann die Bauträgerschaft.
> Mittel des Bundes noch abrufbar: Im Jahr 2019 sagte das Kulturstaatsministerium die Förderung von fünf Millionen für einen Prinzhorn-Erweiterungsbau zu, sollte dieselbe Summe zusätzlich aufgebracht werden. Diese Zusage gilt noch bis zum 31. Dezember.
> Feinplanung noch offen: Klar ist, dass der ehemalige Strahlenbunker in der Nähe des Museums zum Depot wird. Darüber hinaus sollen Werkstätten errichtet werden. Wie das Ganze aussehen soll, dafür entwickeln die beauftragten Architekten ein Konzept. Debus: „Wir wollen da keinesfalls vorgreifen und den Architekten ihre Freiheit lassen“. Möglicherweise werde das Depot aufgestockt.
> OB Würzner bekräftigt Zusage: Auf RNZ-Anfrage sagte das Heidelberger Stadtoberhaupt, die Stadt stehe zu ihrer bestehenden Verpflichtung, sich ebenfalls mit einer Million Euro für die Prinzhorn-Erweiterung zu engagieren, sollte das Land Baden-Württemberg das Projekt fördern – was ja nun der Fall ist.
> Freundeskreis vorsichtig optimistisch: Die jüngste Entwicklung beobachte man „voller Hoffnung“, sagte die Vorsitzende des Freundeskreises der Sammlung Prinzhorn, Prof. Maike Rotzoll, auf RNZ-Anfrage. Sie hatte mit anderen den Offenen Brief an das Klinikum lanciert, als die Befürchtung im Raum stand, die Sammlung könnte in der bestehenden Form nicht weitergeführt werden.
> Ungehobenes Potenzial: Klinikumschef Debus betonte gegenüber der RNZ den „riesigen kulturellen Wert“ der weltweit einmaligen Sammlung mit ihren bis zu 40 000 Exponaten. Diese dienten nicht nur als Kunstwerke an sich, sondern besäßen auch einen therapeutischen Zweck für Patienten. So sei der geplante Bau der Werkstätten im Rahmen eines medizinischen-wissenschaftlichen Gesamtkonzeptes zu verstehen. Mit den verbesserten Möglichkeiten könne dann „alles fachgerecht organisiert“ werden.
> „Freie Bahn für Mäzene“: Auf diesen Nenner brachte Jürgen Debus die Frage, wie der Museumsbetrieb auf Dauer organisiert werden könne. Denn auch das ist eine Voraussetzung des Bundes: Die Sammlung muss mindestens 25 Jahre lang im Museumsbetrieb zugänglich sein. Einen Teil davon trägt das Uniklinikum. Und Debus glaubt, dass durch die neue Situation das Projekt auch für Mäzene wieder interessanter werde. So war zuletzt die in Weinheim ansässige Hector-Stiftung abgesprungen, nachdem sich sechs Jahre lang nichts getan hatte.
> Öffentlicher Druck führte zum Erfolg: Nachdem die RNZ seit Ende März intensiv über die Misere berichtete, kam Bewegung in die Sache. Zunächst nahm das Uniklinikum Mittelkürzungen zurück, dann bildete sich ein Gesprächskreis zwischen Klinikum, Land und der Stadt Heidelberg, den die Heidelberger Kulturbürgermeisterin Martina Pfister initiierte. Ergebnis: Es wird gebaut.
> Kommentar S. 2
Samstag, 7. Juni 2025
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Pfropfen gelöst
Klaus Welzel zum Durchbruch für die Sammlung Prinzhorn
Noch sind die Verträge nicht unterzeichnet, die Fördermillionen nicht endgültig genehmigt. Doch endlich – nach einer sechsjährigen „Bedenkzeit“ – stehen die Chancen gut, dass die weltweit einmalige Sammlung von Outsider Art in Heidelberg ein richtiges Zuhause findet. Ein Ort, an dem die Kunst nicht nur ansprechender als bisher präsentiert werden kann, sondern auch erforscht und für therapeutische Zwecke verwendet. Der dicke Pfropfen, der die ganze Zeit die Erweiterung der Sammlung Prinzhorn verhinderte, ist gelöst.
Das liegt daran, dass sich das Land Baden-Württemberg und das Uniklinikum bewegt haben – unter der offensichtlich geschickten Gesprächsführung der Heidelberger Kulturbürgermeisterin Martina Pfister. Dass die RNZ die Beteiligten erst durch ihre intensive Berichterstattung an den Gesprächstisch schieben musste – geschenkt. Profitieren werden von der Lösung alle Beteiligten: Die Museumsmacher, das Klinikum, die Patienten, Heidelberg und die vielen Kunstfreunde aus aller Welt.
Und noch etwas zählt: Den Patienten, die hier aufgrund ihrer Erkrankung zu Künstlern wurden, wird durch eine ansprechende Präsentation ihrer Arbeit die Würde zurückgegeben. Viele von ihnen wurden in der NS-Zeit ermordet, andere nur diskriminiert. Sie alle haben diese gute, nachhaltige Lösung verdient.